Dr. Fabian Steinmetz

Wenn es um Substanzen geht weiß Fabian Steinmetz Bescheid.

Der 39 jährige Toxikologekämpft an verschiedensten Fronten für eine Veränderung der Drogenpolitik und eine Veränderung in den Köpfen der Menschen.

Als Wissenschaftler auf diesem Gebiet hat er einen tiefen Einblick in die Wirkung und Auswirkung verschiedenster Substanzen und weiß diese zu bewerten.

Fabian ist Eurotox-zertifizierter Toxikologe und Consultant bei Delphic HSE(https://www.delphichse.com/about-us/), außerdem Mitglied im „Schildower Kreis“ (https://schildower-kreis.de/), dem DHV, LEAP (https://leap-deutschland.de/) und ENCOD (https://encod.org).

Man sieht ihn auf den Bühnen der Demos und auch für die tatkräftige Unterstützung des „Weedmobs“ auf Twitter ist er sich nicht zu schade.

Wir freuen uns, Fabian Steinmetz in unserem Lager zu wissen und danken ihm für dieses kurze Interview!

Hanfverband Hamburg: Wie bist du zum ersten mal mit Cannabis in Berührung gekommen?

Fabian: Meine erste Erinnerung an Cannabis war in der Unterstufe, also 5. oder 6. Klasse. Hinten im Bus haben sich etwas ältere Schüler „Dope“ in selbstgedrehte Zigaretten gewickelt. Die Erklärung meines Sitznachbars war: „Damit wirkt der Tabak stärker.“

Hanfverband Hamburg: Hat sich dein Konsum im Laufe der Jahre verändert?

Fabian: Ich versuche grundsätzlich meinen Konsum, egal von was, meinem Leben und meinen Zielen anzupassen. Als Aktivist/Drogenexperte versuche ich dementsprechend illegalen Betäubungsmittelbesitz tunlichst zu vermeiden. Ich muss aber auch sagen, dass mich persönlich Cannabis eher beeinträchtigt hat, weshalb der Stellenwert von Cannabiskonsum im Alltag nie sonderlich hoch war.

Hanfverband Hamburg: Hattest du in Bezug auf Cannabis schon Probleme mit dem Gesetz?

Fabian: Nein, ich habe es geschafft meine „Sturm-und Drangzeit“ ohne Strafanzeigen oder sonstige Konsequenzen zu meistern. Zum einen habe ich mir immer sehr viel Mühe gegeben das Risiko für Konsequenzen zu reduzieren, zum anderen hatte ich einfach Glück.

Hanfverband Hamburg: Was hat dich dazu bewegt, aktiv zu werden?

Fabian: Ich habe bzw. hatte viele Bekannte und Freunde, die Schaden durch die Drogenprohibition genommen haben. Insbesondere die Führerscheinproblematik hatte viele stark und nachhaltig geschädigt. Aber auch gefährliche Qualitäten, Überdosen, Freiheitsentzug, Stigmatisierung etc. spielten eine Rolle. Schon als Teenager fand ich es absurd, dass man sich als Kiffer verstecken musste, während Trunkenbolde die hiesigen Straßenfeste an der Mosel unsicher machten.

Hanfverband Hamburg: Auf welche Art engagierst du dich für die Legalisierung von Cannabis?

Fabian: Zum einen unterstütze ich die Bewegung mittels Social–Media-Aktivismus ( und grüße hiermit den Weedmob ). Zum anderen gehe ich auch im Real – Life auf Veranstaltungen, sei es als Teilnehmer, Redner oder sonstigem. Durch meine „Expertenrolle“ als promovierter und zertifizierter Toxikologe habe ich gelegentlich die Möglichkeit Reden zu halten, oder ich werde für Zeitungsartikel interviewt. Auch versuche ich innerhalb der Wissenschaft mit Postern, Papern etc. aufzuklären und Einzelaspekte näher zu erforschen. Ich bin in verschiedenen Organisationen aktiv, beispielsweise dem DHV Darmstadt, dem Schildower Kreis, ENCOD oder LEAP Deutschland.

Fabian Steinmetz bei der Hanfparade 2022

Hanfverband Hamburg: Bist du Cannabis-Patient?

Fabian: Ich versuche grundsätzlich meinen Gesundheitsstatus und meine persönlichen Präferenzen für Genussmittel/Medikamente aus meinem Aktivismus und erst recht aus meinen wissenschaftlichen Expertisen herauszuhalten.

Hanfverband Hamburg: Wie stehst du zu anderen Drogen und der Debatte um eine Entkriminalisierung dieser Substanzen?

Fabian: Ich bin für die Legalisierung aller Drogen. Legalisierung bedeutet das Etablieren eines Regelwerks für den Umgang mit Drogen und zwar weitestgehend ohne Strafrecht. Von daher sollte jeglicher Besitz von Pflanzen, Pilzen, Pulvern, Pillen etc., welcher ausschließlich dem Eigenbedarf dient, keine Straftat sein. Bezüglich der Abgabe sollten unterschiedliche Regulierungsmodelle genutzt werden, hier kurz am Beispiel Koka/Kokain erläutert: Während Kokatee ruhig im Supermarkt verkauft werden kann, sollte Kokainhydrochlorid nur in Fachgeschäften in kleinen Quantitäten an Erwachsene abgegeben werden – Beratung, Hilfsangebote und keinerlei Werbung verstehen sich von selbst. Bei Crack würde ich eine medizinisch induzierte Substitution mit Kokain-E-Zigaretten vorschlagen, da diese Devices wohl besser dosierbar und weniger schädlich für die Lunge wären. Natürlich würde man den Schwarzmarkt nicht völlig austrocknen, aber dennoch stark reduzieren. Solche Modelle sind mit allen weitverbreiteten Drogen möglich. Grundsätzlich unterstütze ich nicht-kommerzielle Modelle, wie beispielsweise CSCs, im besonderen Maße.

Hanfverband Hamburg: Was erwartest du von der neuen Regierung bezüglich der im Koalitionsvertrag stehenden Legalisierung?

Fabian: Wichtiger als eine Legalisierung, die eben nicht gewiss ist, ist für mich eine weitreichende Entkriminalisierung und zwar sofort!

Hanfverband Hamburg: Gab, oder gibt es Momente in deinem Aktivistenleben, wo du an deiner Überzeugung gezweifelt hast? Wenn ja, was motiviert dich weiterzumachen?

Fabian: Ja und nein. Das Reflektieren der eigenen Überzeugung ist wichtig. Man muss ja auch andere Meinungen verstehen um besser dagegen argumentieren zu können. Grundsätzlich hat sich aber nichts Wesentliches bei mir geändert. Meistens sind es eher regulatorische Details, wie z.B. dass „Drogenführerscheine“ nicht niedrigschwellig genug sind, oder dass THC-Grenzwerte bei Retail-Edibles Sinn machen. Was die Frustrationstoleranz angeht, denke ich, dass mich Rückschläge (z.B. Razzien bei CBD-Geschäften) sogar noch zusätzlich motivieren. Je mehr wir tun, desto schneller kommt der Fortschritt – jede Demo, jede Petition, jeder Artikel und jede Weedmob-Aktion zählt!

Hanfverband Hamburg: Hatte der Cannabis-Konsum – auch aufgrund des gesellschaftlichen Stigmas – Auswirkungen auf Partnerschaften/Freundschaften ?

Fabian: Nein, zumindest nicht signifikant. Damit haben wohl auch ein paar meiner Privilegien zu tun, was mich aber wiederum daran erinnert, dass ich diese Privilegien für die gute Sache nutzen sollte.

Hanfverband Hamburg: Wie stehst du zum Umgang mit Cannabis im familiären Umfeld?

Fabian: Ich habe keine Kinder, aber dennoch eine Meinung: Reden kann man über alles, aber den Konsum vorleben würde ich wahrscheinlich nicht. Rauchen/Dampfen ist kein Verhalten, dass Kinder als selbstverständlich wahrnehmen sollten, egal um welche Substanz es geht. Das heißt aber nicht, dass man nicht etwas stoned mit seinen Kindern spielen kann. Mir geht es mehr um prägendes Verhalten.

Hanfverband Hamburg: Ab welchem Alter würdest du das Thema mit deinen Kindern besprechen und wie?

Fabian: Da gibt es keine Altersgrenze. Man kann alles kindgerecht erklären, wenn man denn will. Egal ob Sex, Drogen oder den Tod, man kann Informationen so verpacken und entsprechende Details weglassen, so dass es zu jedem Alter bzw. Reifegrade passt.

Hanfverband Hamburg: Welche Altersgrenze für die Abgabe von Cannabis findest du sinnvoll? Warum?

Fabian: Die Frage ist sehr spannend. Kriminalisierung lehne ich auch bei Kindern/Jugendlichen ab. Abgabe in Fachgeschäften und Mitgliedschaft in CSCs sollte ab 18 Jahren möglich sein, obgleich ich mir auch einen Retail – Markt mit leichten Produkten ab 16 vorstellen könnte. Wichtig ist keinerlei Kriminalisierung auf der einen Seite, aber auch keine skrupellose Kommerzialisierung (wie beispielsweise bei den kleinen Schnapsflaschen an der Kasse) auf der anderen Seite. Auch wäre mir wichtig, dass Drug-Checking keine Altersgrenzen kennt. Das ist eine Chance für Beratung, Hilfestellung und zum Herausfiltern von besonders schädlicher Ware (z.B. mit synthetischen Cannabinoiden).

Hanfverband Hamburg: Wie stellst du dir die Legalisierung vor, bzw. wie wünschst du sie dir?

Fabian: Bei Cannabis fände ich es toll, wenn CSCs den Löwenanteil stemmen könnten. Dazu müssten diese weniger Restriktionen als der Retail-Markt (Fachgeschäfte, Apotheken etc.) erfahren. CSCs haben den Vorteil, dass sie weniger finanzielles Interesse wecken, die Kultur hinter Cannabis adressieren und der Community, die zuvor unter der Prohibition am meisten litt, Chancen einräumt. Falls die Frage sich auch auf andere Drogen bezieht: Für fast jede Droge mit einem gewissen Verbreitungsgrad gibt es ein besseres Regulierungsmodell als der Status quo!

Hanfverband Hamburg: Hast du eine Lieblingsgenetik/Sorte? Warum?

Fabian: Nein, aber fruchtige Noten, die an Zitrone, Orange oder Ananas erinnern, finde ich schon ziemlich dufte.

Hanfverband Hamburg: Viele Leute haben Bedenken, sich aktiv für die Legalisierung zu engagieren, weil sie fürchten, Probleme im Job, usw. zu bekommen. Dies ist auch jetzt nach der beschlossenen Legalisierung noch so.

Was würdest du diesen Leuten sagen, bzw. welche Tipps würdest du ihnen geben, damit sie trotzdem aktiv werden?

Fabian: Viele verstecken sich. Meist sind es gerade die, die aufgrund von gutem sozialen Standing viel Impact hätten. Das ist sehr bedauerlich für die Legalisierungsbewegung. Deshalb wäre es wichtig, dass die Menschen, die sich aufgrund von Job, Familie etc. nicht trauen, Geld spenden, z.B. an den DHV, den Schildower Kreis oder den kürzlich gegründeten CSC-Dachverband. Aber dennoch ermutige ich gerne Menschen sich für die Legalisierung einzusetzen und zwar weniger durch Outing als „Kiffer“, sondern mehr als politisch Überzeugte: Niemand bekommt eine Hausdurchsuchung, weil er/sie sagt, dass Strafverfolgung und Streckmittel schädlich sind und dass legalisierte Länder jene Probleme kaum noch haben und dabei Milliarden an Steuern einnehmen, z.B. für die Energiewende oder die Pflege.

Hanfverband Hamburg: Was würdest du jemandem mit auf den Weg geben, (Vielleicht gerade Jugendlichen) wenn er/sie zum ersten mal Cannabis konsumieren möchte?

Fabian: Das hängt von Alter/Reife, möglicher medizinischer Indikationen und von eventuellen Vorerkrankungen ab. Bei einem/einer gesunden Jugendlichen, der/die unbedingt kiffen will und es eh machen wird, würde ich zum Konsum via Vaporizer raten. Eine balancierte Sorte macht insbesondere für Anfänger Sinn. Ich würde raten nach ein paar Zügen zu warten bevor er/sie weiter konsumiert, da der Wirkungseintritt ein paar Minuten dauern kann. Idealerweise ist noch jemand dabei mit etwas Erfahrung und ein paar Drinks und Snacks. Aber ich würde auch von regelmäßigem Konsum abraten, da hier diverse Risiken auftreten, die es bei gelegentlichem Konsum nur höchst selten gibt, beispielsweise eine Abhängigkeit. Natürlich gibt es aber auch hier Ausnahmen – ich erinnere an die vielen jungen Menschen, die erfolgreich Cannabis bei ADHS nutzen.

Hanfverband Hamburg: Hast du zum Abschluss noch eine lustige, oder spannende Cannabis-Anekdote?

Fabian: Mich hat mal beim Trampen ein Ami auf Urlaub mitgenommen. Das war vor über 20 Jahren und ich hatte damals schulterlange Haare – er war wohl damals so alt wie ich jetzt. Er fragte mich im Auto: „Does long hair stand for pothead?“ Lange Rede, kurzer Sinn, er kam gerade aus Maastricht mit seinem Mietwagen und wollte etwas chillen. Ich leistete ihm Gesellschaft und wir trafen uns noch weitere Male für etwas kulturellen Austausch. Leider ist der Kontakt abgebrochen, aber ich hoffe er lebt jetzt in einem der vielen „legalized States“.

Fabian, vielen Dank für dein Engagement und dass du dir für das Interview Zeit genommen hast!