Offener Brief an Justizsenator Dr. Till Steffen

Wir haben uns heute, dem 17. Oktober 2019 hier vor der Hamburger Justizbehörde versammelt um aktiv daran zu erinnern, dass die Grundrechte von Cannabisnutzern in Deutschland immer noch nicht geachtet werden, im Gegenteil ist die Verfolgung momentan auf einem Höchststand (Siehe Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren), bisher ist keinerlei Liberalisierung erkennbar. Während die Grünen auf Bundesebene die Schädlichkeit des Verbots erkannt zu haben scheinen (Siehe CannKG 2018), hat sich die Situation im Rot-Grünen Hamburg noch keinen Milimeter bewegt.

Wir mahnen den Senator Dr. Till Steffen (selbst Grünen-Mitglied), sich die Situation, mit der sich viele Konsumenten in Hamburg konfrontiert sehen, zu vergegenwärtigen: Obwohl diese Menschen niemandem etwas getan haben, jagt der Staat Sie mit seinem gesamten Arsenal. Die Hamburger Polizei geht beispielsweise mit schwerem Gerät wie Hubschraubern und Spürhunden auf die Suche nach Plantagen, in der sog. “Task Force” Drogen/BtM verschwenden Beamte sinnlos Arbeitsstunden um Klein- und Straßendealer mit Verfahren und Haft zu bestrafen. Dies ist Symbolpolitik, aber gleichzeitig auch Steuerverschwendung! Und nicht zuletzt ist die Folge eine Verletzung der Grundrechte der Betroffenen. Diese Menschen verlieren u.U. Job, Familie, Führerschein und in der Konsequenz nicht selten ihren Glauben an den Rechtsstaat. Darin ist keinerlei Verhältnismäßigkeit mehr erkennbar.


Die Situation ist beispielhaft: Der Staat ignoriert die Entwicklung in anderen Ländern in Richtung Dekriminalisierung bzw. Legalisierung, ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich medizinischer Wirksamkeit diverser Inhaltsstoffe der Cannabispflanze; er verschwendet lieber seine Ressourcen und verletzt mit diesem Vorgehen essenzielle Bürgerrechte eines Teils der Bevölkerung. Und verzichtet auf mögliche Steuereinnahmen und Einsparungen in Milliardenhöhe. Alles im Namen einer Moralvorstellung, welche Alkohol als “kulturell gefestigte” Art sich zu berauschen verharmlost, obwohl dieser konkret jedes Jahr tausende Menschenleben kostet und manchen aggressiv werden lässt (z.B. Häusliche Gewalt). Cannabis, welches Menschen ruhig und entspannt, friedlich und zufrieden macht und noch niemanden das Leben gekostet hat, im Gegenteil sogar vielen Menschen das Leben mit körperlichen oder seelischen Schmerzen erträglich macht, wird wahlweise mit Alkohol auf eine Stufe gestellt, natürlich ohne daraus zu schlussfolgern, dass eine Gleichbehandlung nötig ist. Oder Hanf wird trotz dieser Fakten als “noch schlimmer” als Alkohol gebranntmarkt. In diesem Punkt sind die wissenschaftlichen Fakten jedoch eindeutig.

Diese hartnäckigen Vorurteile gillt es zu widerlegen. Die Forschung – wo Sie eben wirklich als Frei bezeichnet werden kann – hat mittlerweile unzählige Belege für den medizinischen Nutzen von Cannabis geliefert, man muss sich nur die Mühe machen, dieses zu recherchieren. Mit welchem Recht teilt der Staat die Konsumenten der gleichen Substanz auf in “kriminelle Kiffer” und “Patienten”, verfolgt Erstere mit Polizei und Gerichten und legt Zweiteren beständig weiter dabei Steine in den Weg, an ihr Medikament zu kommen. Viele Ärzte sind von der systematischen, ideologischen Art der Falschinformation in deutschen Medien so abgeschreckt, dass selbst diese sich nicht unabhängig über das Thema informieren. Die USA sind hier viel weiter und müssen Vorbild sein auf dem Weg zu einer kompletten Legalisierung und Regulierung des Hanfmarktes. Über die Nutzpflanze Hanf haben wir noch gar kein Wort verloren. Auch hier kann sich jeder binnen Minuten allumfänglich per Internet über die mannigfaltigen Nutzungsmöglichkeiten dieser Jahrtausende alten Pflanze informieren. Wer es mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit wirklich ernst meint, der wird am Hanf nicht vorbeikommen. Hanftextilien, -nahrungsmittel, -plastik und -baustoffe sind nur ein kleiner Ausschnitt.

Wo ist die Verhältnismäßigkeit, wenn Menschen wegen einer Anbauanlage zur Selbstversorgung eine Hausdurchsuchung erdulden müssen. Diese tief in die Grundrechte eingreifenden Mittel des Staates sollten für Gewalttäter und Verbrecher vorbehalten sein, nicht für einfache Bürger, die sich z.B. in einer Notlage selbst behelfen. Während bei Diebstahl, Einbrüchen oder Gewaltdelikten immer Menschen geschädigt werden, sind es im Falle von Cannabiskonsumenten nur diese selbst, die vom Staat unter der Vorgabe sie “schützen” zu wollen geschädigt.

Lieber Herr Dr. Steffen, ihre Homepage ist überschrieben mit “Mein Herz schlägt für Recht und Freiheit”. Sind Cannabiskonsumten davon ausgenommen? Haben Menschen, die den Joint einem Bier vorziehen, ihre Rechte verwirkt? Am 25. Juli diesen Jahres äußern Sie sich in ihrem Blog (https://www.tillsteffen.de/2019/07/25/happy-pride-oder-ueber-die-justiz-als-schutzmacht-der-diskriminierten/) zum jährlich in Hamburg stattfindenden CSD. Sie betonen gleich in der Überschrift, die Justiz solle “die Schutzmacht der Diskriminierten” sein. Was sind Cannabis- und Drogenkonsumenten momentan anderes als eine diskriminierte Minderheit? Auch die Pride!-Bewegung sah sich mit Vorurteilen und einer nicht veralteten Moralvorsellung, damals rigoros durchgesetzt durch den sich eigentlich als neutral verstehenden Staat, konfrontiert. Viele Sätze, die Sie in diesem Beitrag schreiben, lassen sich 1:1 auf die Cannabis”problematik” anwenden. Messen Sie nicht mit zweierlei Maß!

Wir fordern von Ihnen als dem zuständigen Senator für Justiz und Gleichstellung der Hansestadt konkrete Maßnahmen, um den unhaltbaren und destruktiven Status Quo zu verändern:

– Sprechen Sie sich für die Beendigung der Arbeit der “Task Force Drogen” ein, die seit 2016 besteht. Die Beamten sind bei Delikten mit Tatopfer sehr viel sinnvoller einzusetzen

– Arbeiten Sie im Sinne ihrer Bundesparteigenossen aktiv daran mit, dass Betäubungsmitteln nicht meht länger mit dem Strafrecht begegnet wird.

– Das BtMG und das Cannabisverbot fußen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern moralischen und politischen Bedenken. Diese hält den Ergebnissen der Forschung der letzten 20 Jahre nicht stand, diese hat mittlerweile unzählige Beweise für den gesundheitlichen Wert von Cannabis als Heilpflanze erbracht.

– Eine komplette Neubewertung insbesondere in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns und die Verletzung der Grundrechte vieler durch die momentane Gesetzeslage ist notwendig!

– Unterstützen Sie die Justizkampagne des deutschen Hanfverbands und die Bemühungen, das Cannabisverbot durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.

– Modellprojekte sind ein Feigenblatt der Politik, insbesondere von Seiten der SPD, stets gefordert in dem Wissen, das diese mit der momentanen Gesetzeslage nicht in Einklang zu bringen sind und daher keine Aussicht auf Realisation haben